Rudolf von Hoschek Sammlungsverkauf

Die graphische Sammlung von Dr. Rudolf Hoscheck-Mühlhaimb

Vorwort.

Ein ausgesprochenes Unikat ist die bis jetzt unveröffentlichte Beschreibung der Sammlung Dr. Rudolf Freiherr von Hoscheck-Muhlhaimb, von dem bekannten Bibliothekar und Sammler Hofrat Prof. Dr. Hans Ankwicz-Kleehoven aus den Jahr 1956. Diese Expertise mit dem „in Aussicht genommenen Preis von 1,2 Millionen Schillingen“ ist ein eindeutiges Verkaufangebot der Sammlung, von den Ankwicz-Kleehoven schreibt, er würde es „auf das lebhafteste begrüßen, wenn sie unserer Heimat zur Gänze erhalten bliebe.“ Leider ging weder der Wunsch des Sammlers noch des Experten in Erfüllung. Die Sammlung wurde von der Witwe Dr. Hoschecks privat verkauft, und es kommen immer wieder Blätter aus dieser unvergleichlichen Sammlung in Wien und Deutschland auf den Markt.  

Das Schreiben ist aus dem „Nachlass Hofrat Ankwicz-Kleehoven“ aus dem Archiv der Österreichischen Galerie, der für die Druckgenehmigung hiermit herzlich gedankt wird.    

Peter Rath

                        Die graphische Sammlung Dr. Rudolf Hoscheck-Mühlhaimb

Die vorwiegend der Klein- und Gebrauchsgraphik gewidmete Sammlung des Dr. Rudolf (Freiherrn von) Hoscheck-Mühlhaimb in Wien XIII., Auhofstraße 26, ist eine der wenigen Großsammlungen, die beide Weltkriege und die durch die Umschichtung der sozialen Verhältnisse bewirkte Auflösung so vieler privater Kollektionen ohne nennenswerten Schaden überdauert hat. In der Persönlichkeit ihres Besitzers vereinigen sich in glücklichster Weise jene Faktoren, die für das zustande kommen einer so bedeutenden Sammlung unerlässlich erscheinen. Dank seiner materiellen Unabhängigkeit verfügte er über die Zeit und die erforderlichen, sehr beträchtlichen Mittel zum Sammeln – der bisherige Aufwand hiefür betrug über zwei Millionen Schillinge und über 30.000 Arbeitsstunden! Als Eigentümer einer geräumigen Villa in Hietzing konnte er in den Parterrezimmern seines Hauses für die entsprechende Unterbringung seiner Schätze in 30 meist mehrteiligen, verschließbaren Schränken sorgen, die in 95 Holzkästchen 1600 Mappen (Kartonschubern) und ca. 160 anderen Behältern rund 160.000 Blätter aller Formate bergen. Ein reiches, vielseitiges Wissen sowie ein ausgeprägter Sinn für systematische Ordnung lenkte den ihm angeborenen Sammlertrieb, die leidenschaftliche, ja fanatische Liebe zum Sammlergegenstand, von allem Anfang an in geregelte Bahnen, so dass seine Sammlung in Ihrem gegenwärtigen Zustand ohne weiteres als geschlossener Bestand von jeder öffentlichen Sammlung übernommen und mit Hilfe der vorhandenen Inhaltsübersichten dem Publikum nutzbar gemacht werden kann. Was noch fehlt, ist ein in Zettelform gehaltener alphabetischer Namen- und Schlagwortkatalog, doch gestattet es die alle Sparten umfassende, bis ins Einzelne gehende,

gleichartige Gliederung des Materials schon bei der jetzigen Aufstellung, binnen kürzester Frist jedes gewünschte Blatt dem Interessenten zugänglich zu machen. Bei der bekannten Liberalität Dr. Hoscheks wird denn auch seine Kollektion bereits seit Jahrzehnten von Wiener Gelehrten für Vorträge  und Publikationen, von wissenschaftlichen Instituten für Ausstellungszwecke in Anspruch genommen. Leihgaben aus seiner Sammlung haben in letzter Zeit nicht nur die Exlibris-Ausstellungen in Linz, Graz, Salzburg und im terreichischen Museum, sondern auch die jüngste Europäische Theater-Ausstellung in Wien wesentlich bereichert. Das Kernstück der Sammlung bildet ein in seiner Art wohl einzig dastehender Bestand von ca. 90.000 Exlibris, von denen fast 700 Blätter der Frühzeit, dem 15. und 16. Jahrhundert, angehören. Der eigentümliche Charakter dieses Sonderzweiges der Kleingraphik, in welchem die Individualität des  Künstlers und des Bestellers, stilgeschichtliche und nationale Elemente, graphische Finessen und nicht zuletzt der enge Zusammenhang mit dem Buch- und Bibliothekswesen ihren vielfältigen Ausdruck finden, ließ das Sammeln von Bücherzeichen seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts zu einer weitverbreiteten Mode werden und in zahlreichen Kulturländern „Exlibris-Gesellschaften“ entstehen, deren Mit- glieder mehr oder minder umfangreiche Exlibris-Sammlungen begründeten. Deutschland

stand in dieser Hinsicht neben Österreich an der Spitze, allein der zweite Weltkrieg ver- nichtete eine ganze Reihe solcher Sammlungen wie die des Berliner Kupferstichkabinetts oder des Senatspräsidenten von Zur Westen. Andere Sammlungen gelangten nach dem Tode ihrer Begründer zur Auktion, was ihre völlige Zersplitterung bedeutete. Hier griff nun Dr. Hoscheck in vielen Fällen rettend ein und brachte einige der wertvollsten Kollektionen zur Gänze oder zum großen Teil in seinen Besitz. So unter anderem die Sammlung Stiebel (Frankfurt a.d.O.), Oskar Wiener (Prag), Koch, Dillmann, Ross und Schönecker (Wien). Zugleich setzte er sich auch mit hervorragenden österreichischen, deutschen und schweizer-

ischen Exlibris-Künstlern und Sammlern in direkte Verbindung, und konnte auf diese Weise das vollständige Exlibriswerk Max Klingers, Otto Greiners, Willi Geigers, Emil Orliks, Michael Fingestens, Walter Helffenbeins, Sepp Franks, Alois Kolbs, Richard Teschners und Alfred Cossmanns – um nur einige der namhaftesten zu nennen – in seiner Hand vereinigen, wobei er den ausgeführten und signierten Blättern, wenn möglich, noch Original- Entwürfe, Phasen- und Vorzugsdrucke sowie Autographen der betreffenden Künstler nebst Spezial- literatur über sie anfügte. Dieselbe Sorgfalt wie dem Exlibris des deutschen Sprachgebietes wurde auch den Bücherzeichen des gesamten Auslandes zugewendet, so dass die Sammlung Hoscheck mit Recht als eine „Weltsammlung“ bezeichnet werden darf. Rein ziffernmäßig betrachtet liegt jedoch der Hauptwert dieser Abteilung in ihrer ungewöhnlich großen Zahl an „alten“ Blättern, unter denen es viele „Unika“ und äußerst seltene Stücke gibt. Solche Inkunabeln des Exlibris sind z.B. die handgemalten Bücherzeichen Krener (um 1480), Leonhard Harickl (um 1495), Heinrich Toebing (um 1498), Bernhard Gressing und Kloster Neresheim (um 1500), der Kupferstich Bernhard v.  Rohrbach (um 1466), die Holzschnitte Hildebrand Brandenburg (Karthause Buchsheim, um 1480),  Bischof Johann Roth von Breslau (1494), Michael Ochsner von Würzburg (um 1495) und Daxelhofer aus Bern (um 1480). Rarissima österreichischer Provenienz sind der kolorierte Holzschnitt Jörg Mayr (um 1465), das Handgemalte Eignerblatt des Wiener Dorotheenstiftes (um 1450) und das kreisrunde, handgemalte Bücherzeichen des Wiener Astronomen Johannes Angelus (um 1495). Ihnen schließen sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts die prachtvollen Holzschnitt-Exlibris Lukas Cranachs und Albrecht Dürers und seiner Schule sowie gegen die Jahrhundertmitte die subtilen Stiche der deutschen „Kleinmeister“ an. Den Höhepunkten des Renaisance-Exlibris folgen im 17. und 18. Jahrhundert Meisterleistungen des Barock- und Rokoko-Exlibris. Im 19. Jahrhundert versiegt mit dem Rückgang des Kupferstichs und Holzschnitts die Exlibris-Produktion, um erst vor der Jahrhundertwende mit dem Aufkommen neuer technischer Möglichkeiten eine glanzvolle Wiederbelebung zu erfahren, deren bisherige Entwicklung aus der Sammlung Hoscheck mit einer erdrückenden Fülle von Material belegt werden kann.

Den graphischen Exlibris ist als Sonderabteilung eine umfängliche Sammlung von Supralibros beigegeben, die Teils auf ganzen Büchern, teils auf Deckeln zur Darstellung gelangen. Die Menge der sich ergebenden Doubletten regte die Anlage thematischer Sondersammlungen an, deren Zahl sich auf über 40 beläuft. Sie beschränken sich nicht bloß auf Exlibris, sondern beziehen auch freie Graphiken und Reproduktionen aller Art, sowie über 2000 Medaillen und Plaketten ein, umfassen ungefähr 35.000 Blätter und illustrieren u.a. Themen wie „Akte“, „Bildnisse“, „Bücherflüche“, „Erotika“, „Freimaurerei“, „Goethe- karikaturen“, „Kostüme“, „Trachten“, „Krieg und Militär“, „Marine“, „Mütterlichkeit“, „Musik“, „Schrift“, „Topographische Ansichten“, „Tiere“, „Tod“, „Trinken und Rauchen“, „Sport“, „Verkehr“. Überwiegt beim Exlibris das künstlerische Moment, so lässt die Abteilung „Gebrauchsgraphik“ in ihren ebenfalls etwa 35.000 Blättern weitgehend auch kulturgeschichtliche Gesichtspunkte zur Geltung kommen. Sie gliedert sich in folgende Abschnitte: Ausweise und Urkunden (amtliche Graphik), Notariatssignete, künstlerische Besuchskarten, Briefschmuck (mit den umfangreichen Annexen Briefmarken und Ganzsachen, Familiengraphik (Verlobungs- und Vermählungsanzeigen, Geburtsanzeigen, Patenbriefe und Gedenkblätter), Festgraphik (Einladungen zu Ball- und anderen Festen, Ausstellungseröffnungen, Vereinsgraphik und dergleichen.)  Glückwünsche (vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart in 82 Mappen). Besonders reizvoll sind die Neujahrs- und Geburtstagswünsche der Empire- und Biedermeierzeit, unter denen die entzückenden, oft mit kleinen Spiegeln und sinnigen Sprüchen ausgestatteten des Wiener Buchbinders Johann Endletzberger den ersten Rang einnehmen. Werbung (für Speise, Trank und Genussmittel, für andere geschäftliche, für politische und religiöse Zwecke, Plakate). Buch und Illustration mit 32 Mappen (dazu als Annexe: Lesezeichen, Vorsatzpapiere, und Wasserzeichen). Eine weitere Gruppe „Aquarelle und Handzeichnungen“ enthält Entwürfe für Exlibris und sonstige Gebrauchs- und Gelegenheitsgraphik.

Mehrere Hundert Original-Kupferplatten und Holzstöcke vervollständigen die Sammlung in wertvoller Weise nach der technischen Seite. Eine ausführliche „Spezialbücherei“, die auch die wichtigsten Exlibris-Zeitschriften und Publikationen umfasst, dient als unerlässlicher Nachschlagebehelf, desgleichen die für den Exlibrissammler unentbehrliche Sondersammlung „Heraldik und Genealogie“ mit ihren Wappenbildern und Siegeln, ihren Wappenbüchern und genealogischen Taschenkalendern.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass in sämtlichen Sammlungsräumen auch gerahmte Bilder und Stiche untergebracht sind, welche das in den Schränken verwahrte Material sinnvoll ergänzen.

Über die Bücherei erliegt ein Spezialgutachten des Vorstandes der Bücherabteilung des Wiener Dorotheums, Herrn Grübner vor, der sie mit S 150.000.- bewertet.

In den vierzig Besuchen, die ich im Laufe der letzten fünf Monate der Sammlung Hoscheck abstattete, hatte ich unter der Führung ihres Eigentümers hinlänglich Gelegenheit, sie in allen ihren Abteilungen kennen zu lernen und mich von der außerordentlichen Reichhaltigkeit und hohen Qualität ihres Inhalts zu überzeugen. Als ehemaliger Direktor der Bibliothek des Österreichischen Museums, der Bibliothek und des Kupferstichkabinetts der Akademie, hatte ich auch amtlich mit all jenen Kunstgebieten zu tun, denen Dr. Hoscheck in fünfzigjähriger Sammeltätigkeit den größten Teil seiner Freizeit und seines Vermögens geopfert hat. Dass dieses Opfer nicht umsonst gewesen sei und das Ergebnis seines rastlosen Bemühens nicht wieder in alle Winde zerstreut werde, muss der aufrichtige Wunsch jedes Kunstfreundes und vor allem jedes Sammlungsleiters sein, der weiß, welche Unsumme von Geld und Mühe notwendig ist, um eine derartige Kollektion, wie sie weder in Wien noch anderwärts in

gleichem Umfange vorhanden ist, zustande zu bringen. Ich würde es daher aufs lebhafteste begrüßen, wenn sie unserer Heimat zur Gänze erhalten bliebe, und es ist meines Erachtens der von Dr. Hoscheck in Aussicht genommene Preis von 1,2 Millionen S nicht unangemessen.

Wien am 26. Feber  1956.                             Hofrat Prof. Dr. Hans Ankwicz-Kleehoven

                                                                           Generalstaatsbibliothekar a. d.

                                                                           Wien VIII., Florianigasse 20.  

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