Beethoven, das schwarze Kameel und eine alte Rebsorte, der „Österreichische Weiss“.

Dr. Theodor von Frimmel (von Traisenau, 1853-1928), wohl einer der wichtigsten Beethoven Biographen schreibt in seinem Aufsatz über „Beethoven als Gasthausbesucher in Wien,“ (Beethoven Handbuch, 2 Bd., Breitkopf und Härtel, Leipzig 1926) ausführlich über die Besuche des Künstlers in Wiener Gaststätten. U. A.:

Beethovens Besuche im Schwarzen Kameel waren unter anderen auch dem Künstler- biographen W. v. Lenz bekannt geworden (“Beethoven et ses trois stiles“, 1852, S. 232).

Dort wurde der Kanon : Ta, ta, ta, gesungen. (Thayer III, S. 222. Vierstimmiger Kanon Wo0 162;Lange glaubte man, Beethoven habe den berühmten Mälzelkanon, in dem das Thema des 2. Satzes seiner 8. Sinfonie verarbeitet ist, 1812 für seinen Freund, den Erfinder Johann Nepomuk Mälzel geschrieben und damit dem Erfinder des Metronoms ein Denkmal gesetzt. Heute weis man es besser: Der Kanon ist überhaupt nicht aus Beethovens Feder. Wo0 162 gehört zu den vielen Erfindungen Anton Schindlers, die dieser dem Komponisten nachträglich untergeschoben hat. Um die Authentizität des Kanons zu untermauern, fügte Schindler in Beethovens Konversationshefte gefälschte Einträge hinzu, „Belegstellen“ die seine Version der Entstehungsgeschichte stützten. In der heutigen Forschung gilt der Mälzelkanon unbestritten als Erfindung Anton Schindlers und zählt nicht mehr als Werk Beethovens. (J.R.)  )

  Dolezalek erzählte „Er trank roten Wein im Kameel“. In den Gesprächsheften kommt diese Weinstube sehr oft vor. Bei Thayer-Riemann (IV., S. 200) wird von einem „Canehl“ gesprochen, womit sicher nichts anderes gemeint ist, als unser Kameel. Zu den Zeiten , als Beethoven in Wien war, also 1787 wurde das Geschäft von folgenden Personen geführt; 1777 bis 1796 von Jos. Kappler, 1796 bis 1803 von Leopold Arlet und dan von dessen Witwe, Von 1803 bis 1818 gehörte es Herrn Jakob Partl, der im August  jenes Jahres seine Weinstube in aller Freundschaft und Ordnung an die Herren Jos. Stiebitz, Jos, Söhnel und Ign. Arlet übergab. In einem kleinen Bestellbrief Beethovens an die Weinstube kommt auch der Name Arlet vor. Beethoven lässt Arlet grüßen. Dieser und die beiden anderen Inhaber des Geschäftes seit dem August 1818 waren aber keine Neulinge dort, sondern hatten schon vorher18 Jahre im Kameel Dienste geleistet. Man erfährt dieses und noch vieles andere aus der Hübschen „Gedenkschrift anlässlich der Demolierung des alten Kameelhauses in der Bognergasse (Wien, im Selbstverlag Stiebitz 1901),in Welcher sich auch eine Abbildung der Stirnseite des alten Hauses und ein Schattenriss mit dem Brustbild des alten Jakob Partl findet. Das Profil dieses Gastgebers mit der Hausmütze ist geradwegs typisch für den Altwiener Wirt. Den Beethovenschen Bestellbrief: „Sendet gefälligst 2 Maass…“ habe ich 1891 in der deutschen Kunst- und Musikzeitung (herausgegeben  von Robischek) vom 1. Januar veröffentlicht. Die zeitliche Einreihung, die bei Kastner mit 1802 wohl verfehlt ist, soll an anderer Stelle erörtert werden.

Das Haus Nr. 5 (alt 312) war unter der Zeit des 30jährigen Krieges, unter der Regierung Kaiser Ferdinand`s II. (1619-1637), im Besitz des Gewürzkrämer Johann Kamel, ein geborener Brünner. Haus und Geschäft trugen schon damals, im Jahre 1619, das Schild „zum schwarzen Kameel“. Aus der Familie  dieses Mannes entspross nämlich jener berühmte Missionar   Georg Josef Kamel (Pater Camelius) welcher als gelehrter Pharmazeut und Botaniker auf den Philippinen Pflanzen sammelte und nach  Europa brachte; darunter jener Strauch, dessen Blüte der große Botaniker Karl von Linné nach den Namen des Entdeckers Camelie nannte.   

Theodor Frimmel: Neue Beethoven Studien.Text aus der Deutschen Kunst- und Musik-Zeitung, S. 2.:

Frimmel bekam von Franz Josef Alois Stiebitz Einblick in zwei bisher unbeachtete Johann van Beethoven Autographe. Das eine war ein kleiner Brief Beethoven´s, an das Geschäft zum Kameel gerichtet, das andere ein Musikautograph, dass in einem gewissen äußerlichen Zusammenhange mit dem genannten  Hause steht.

Das Briefchen lautet folgendermaßen:

Außerordentlich Beste!

Sendet gefälligst 2 Maaß u. eine halbe 3 fl.  Oesterreicher weißen, ein pfund feinen und Ein pf. ordinari Zucker nebst einem pfund feinen Kaffee. Alles mit einem Staats Siegel wohl versehen – bald hoffe ich euch zu sehn ed a pagare i Conti – alles Schöne an Hrn Arlet Eiligst u. Schleunigst

           Der Eure
Beethoven

Die Namen Arlet,  Beethoven und der italienische Satz sind in lateinischer, alles Uebrige ist in deutscher Schrift hingesetzt. (Ductus der Schrift, wie man ihn bei Beethoven um 1820 findet.  – Grobes, graues Papier, ohne Wasserzeichen, auf einer Seite mit der Feder beschrieben).

Im Brief wird Herr Arlet genannt. Es ist Ignaz Arlet, 1775-1855, der die Weinhandlung zum Kameel 1818 übernommen hatte und 1832 aus dem Geschäfte trat. (Am 21.6.1818 übergab der ältere Besitzer Jakob Partel (gest. 28.9.1819 im 65ten Lj.) das Geschäft an drei Gesellschafter, deren einer Ignaz Arlet war. Neben diesem trat Josef Söhnel und Franz Josef Stiebitz (in der Literatur auch „Der Alte Stibitz) ein, der Großvater des gegenwärtigen Inhabers [alter Text]).

Vor einiger Zeit ließ ein ehemaliger Studienkollege Herrn Stiebitz (den „Alten“) um eine Unterredung ersuchen. Zu seiner Größten Überraschung sah er sich dem bekannten Weltreisenden „Slatin Pascha“ gegenüber, der bekanntlich Jahre hindurch Gefangener des Mahdi war und es sich nehmen ließ, dem Schulkollegen von 1873 nach seiner Rückkehr nach Wien die Hand zu drücken.

Franz Josef Stiebitz bekleidete vierzehn Jahre hindurch die Stelle eines fachmännischen Laienrichters beim Wiener Handelsgericht und fungierte seit vielen Jahren, der Tradition seiner Vorfahren getreu, als Direktor der Ersten Oesterreichischen Sparkasse, welches Amt auch auf seinen ältesten Sohn übergeben wird. Innige Freundschaft verbindet das Haus Stiebitz mit den prominentesten Künstlern und Künstlerinnen. Erwähnt sollen werden: Georg Reimers und dessen Söhne Emmerich und Fritz, Otto Treßler, Paul Hartmann und Raoul Aslan. 1825 wurde Stiebitz Hoflieferant. (1901 wurde das Haus abgerissen, Interessant ist die Biographie von Gustav Gugitz in „Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien, 3. Band S. 369, (1956) Profane Topographie des I. Bezirks, „Zum schwarzen Kameel, 15601. Stiebitz.)

Damit und mit Berücksichtigung der Zeit von Beethoven`s Ableben sind die Grenzen gegeben, innerhalb welcher das kleine Document entstanden sein muß. Die Schwiegertochter Ignaz  Arlet`s Frau Anna Neubauer-Arlet in Wien ist die gegenwärtige Besitzerin des eben veröffentlichen kleinen Autographes. Dieselbe Dame nennt auch ein weit interessantestes Blatt aus einem Beethoven`schen Notizbuch ihr Eigen, eine kleine Handschrift, welche bisher ungelesen geblieben war, sich aber bei genauer Durchsicht gar bald als eine S k i z z e   z u m   A n d a n t e   d e r   S o n n e n f e l s s o n a t e  op. 28 herausstellte. (Skizze folgt im Text des Artikels, es ist die Klaviersonate Nr. 15. Von Beethoven gewidmet an Joseph Edler von Sonnenfels 1801). Nach Auskunft von Dr. Silke Bettermann aus dem Beethoven – Haus in Bonn (2007) soll sich der Original Brief noch im Besitz der Familie Neubauer-Arlet in Mödling befinden. Die neueste Literaturangabe (2007) dazu stammt aus dem Jahre 1971: Walter Szmolyan, Beethoven-Funde in Mödling, in: Österreichische Musikzeitschrift 25 (1971). S. 9, wo auch der Text des Briefes veröffentlicht wurde. Eine Abbildung des Briefes kennt im Beethoven-Haus leider niemand.

Angeblich wurde der Brief vom Antiquariat Hassfurther angekauft.     

Der Österreichische – Weiss

Der gute Österreicher

Die Bezeichnung des Weines in Beethoven`s Briefchen wirft natürlich einige Fragen auf. Was für ein Wein ist der „Oesterreichisch weiße?“

Erklärung von Ernesto Pauli

Fortschreitend Zivilisationsmasnahmen, z.B. die Versiegelung der Böden  durch Straßenbau, Ausdehnung der Städte und Dörfer, Brandrodung und Versteppung, haben in den letzten Jahrzenten weltweit das Aussterben von bedrohten Pflanzen und Tierarten beschleunigt. Auch der Wildrebenbestand (Vitis silvestris) ist durch den Eingriff des Menschen stark geschrumpft. Im vorletzten Jahrhundert fand Bronner (1857) noch viele tausend Reben. Jetzt sind nur wenige erhalten geblieben.

Die weiße Rebsorte (Österreichisch Weiss) ist ein Abkomme der uralten Sorte Heunisch aus einer Kreuzung mit einer unbekannten Muttersorte, auch Kahlenberger Weiße und Weiße genannt. Durch eine zufällige Kreuzung mit dem Traminer entstand daraus die Sorte Sylvaner. 

In den Konversationsheften Bd. 3, S. 248, Erwähnt Beethoven das nochmals das Kameel:

31b  Beethoven: Messer im Kameel liegen lassen-
Kaffe Zucker
Dort diesen Ab(end) nehmen – Kerzen
Ruß(ische) Nachtlichter mit Bernh. kaufen

Literatur (Auswahl):

Frimmel, Theodor von, Beethoven als Gasthausbesucher in Wien. Neues Beethoven Jahrbuch. Hrsg.: Adolf Sandberger. Erster Jahrgang, 1924. Verlegt bei Benno Filser, Augsburg,

Gustav Gugitz in „Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien, 3. Band S. 369, (1956) Profane Topographie des I. Bezirks, „Zum schwarzen Kameel, 15601. Stiebitz.)

Gedenkschrift anlässlich der Demolierung des alten Kameelhauses in der Bognergasse. Wien 1901; Buchschmuck von Ferd. Pamberger, Druck von A. Haase aus Prag, Verlag von Franz Stiebitz, Wien. K.K. Hofbibliothek 415782. ÖNB.

Nach Jahrzenten Anfang 2023 endlich Fertiggestellt, mit vielen Hilfen, u. A. Sergio Carrino, viele Weinfachleute, darunter Ernesto Pauli, er bietet Weinseminare in der Schweiz an: mail@ernestopauli.ch